Abgestempelt – Wie man mit Depression lebt

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Simone Lösel

Sexual-Coach

Psychisch krank: Klingt als wäre man ein Psychopath, der vermutlich kurz davor ist eine üble Straftat zu begehen. 

Körperlich krank: Klingt wie absolut kein Problem… wird sich heilen lassen, Arzt, Medizin – kennen wir alle – können wir sehen.

Aber stimmt das so? Denn psychisch krank heißt nicht, dass ich nicht ganz richtig ticke oder sogar gefährlich bin, sondern dass ich krank bin – und zwar auf eine Weise, die du einfach nur nicht sehen kannst. Auch heilbar… Ich bin kein Psychopath, ich bin nicht unberechenbar, es geht mir einfach nicht gut. Ich bin in Heilung, die schwierig ist, weil der Arzt nichts einrenken kann, sondern mir nur Tipps und Tools an die Hand geben kann, den Rest muss ich selbst tun. Depression heißt: langer Genesungsprozess. 

Antidepressiva

Depression mit Antidepressiva… Ich versuche diese Stigmatisierung in unserer Gesellschaft aufzuheben. Ich erzähle jedem davon, denn es macht mich nicht anders – meiner Meinung nach. Aber dann begegnet man Menschen, die einen irgendwie nicht mehr für voll nehmen. Die sich rausnehmen über mich zu entscheiden, zu wissen, was wohl das Beste für mich ist, denn das hängt ja schließlich alles mit meiner Krankheit zusammen – auch wenn es das nicht tut. Denn hinter dem psychisch kranken Menschen steckt tatsächlich ein Mensch, der schon ziemlich lang auf dieser Welt nicht abgestempelt wurde, weil er keine Diagnose hatte.

Jeder hat mich für voll genommen, wie alle anderen auch. Da stellt sich die Frage, war ich da denn zurechnungsfähig? Denn ich habe diese Depression nicht erst seit letztem Jahr. Ich habe die Diagnose seit letztem Jahr. Ich lerne damit umzugehen, ich lerne den Weg raus. Bin ich nicht zurechnungsfähiger denn je?!? Ich denke schon, aber die anderen eher nicht. Denn sie wissen ja, sie können das nicht riskieren, weil ich ja gesagt habe, dass es mir manchmal nicht gut geht. NUR: Ich gehe damit wenigstens offen um, ich kommuniziere mit meiner Umwelt. Ich gebe zu, wenn ein Tag ist, an dem alles eine Katastrophe ist. Wenn ich mich fühle als könnte ich heute nichts entscheiden. Deswegen tue ich es dann nicht. Die “nicht” psychisch Kranken entscheiden an solchen Tagen trotzdem, obwohl JEDER Mensch dieser Welt Tage hat, die absolute Katastrophen sind. Wer entscheidet wohl rationaler?

Grenzen richtig setzen

“Ich meine es nur gut”. Hört euch den Satz in eurem Kopf noch ein paar Mal an. Und dann überlegt, wann der wohl fällt. In dem Moment, wo ich sage: “Du hast meine Grenze überschritten, so geht das nicht!” – “Ich meine es nur gut.” Das bedeutet, ja hab ich gehört, aber ich denke, dass ich es besser weiß. Wie viel hilft einem anderen Menschen so ein Satz? Und was bringt dich zu der Meinung, dass du etwas über mich besser wissen könntest, als ich das weiß? Aber hey… der Stempel ist auf der Stirn. 

Umgang mit Depression

Mir ist bewusst, dass es schwierig ist zu wissen, wie man mit psychischen Krankheiten umgeht, wenn man bisher keine Berührungspunkte hatte. Aber warum fragt man denn nicht einfach? Wenn ich mir bisher noch nie das Bein gebrochen habe und nicht weiß, ob und wie weh das eingegipste Bein tut, dann ist doch die erste Frage: Gehts? Tut es sehr weh? Kann ich dir was helfen? Aber bei psychischen Leiden fragt keiner: Tut es sehr weh? Wie kann ich dich unterstützen? Keiner traut sich, keiner will was falsch machen… Aber was könnte denn passieren? Empathie ist die Antwort und im Zweifelsfall kann ich dir sagen, was ist und was nicht, denn psychisch krank heißt nicht, dass mein Mund keine klaren Worte mehr spricht.

Niemandem hilft es nicht mehr als gleichwertiger und selbstbestimmter Mensch wahrgenommen oder behandelt zu werden. Ich treffe Entscheidungen, manche sind super, manche sind dumm. Aber so war das schon immer und so ist das bei JEDEM Menschen. Das ist aber meine Entscheidung und nicht die Entscheidung der Depression. Und wenn du nicht weißt, wie du mit mir umgehen sollst… Ganz normal!